Medizinisch-Topographische Atlanten
Medizinisch-Topographische Atlanten zählen neben Kirchenbüchern, Daten der Standesämter und Volkszählungen zu den wichtigsten Datenquellen der Historischen Demographie. Dabei handelt es sich um Monographien oder Aufsatzsammlungen über kleinräumige Gebiete, häufig Städten, aus dem 18. und 19. Jahrhundert.
Das inhaltliche Schema der medizinisch-topographischen Atlanten verläuft grundsätzlich an der Beschreibung der geographischen Gegebenheiten und der Umgebung, dem Aufbau der Stadt bzw. des Gebietes und der Wasserversorgung. Häufig sind Abhandlungen über Schulen, Gewerbe, Sozialwesen und Krankenhäuser zusammengetragen. Den wesentlichen Bestandteil stellen die Darstellungen der Gesundheits- bzw. Bevölkerungsstatistik dar, diese Daten sind für Sekundäranalysen kleinräumiger Gebiete gut geeignet. Ursprung dieser Daten sind häufig Daten der Standesämter und Kirchen sowie auch ärztlicher Vereinigungen und ähnlicher Institutionen.
Die Medizinisch-topographischen Atlanten besitzen jedoch keine verbindliche Struktur, so liegt der Grundgedanke der Arbeiten immer im Forschungsschwerpunkt der Autoren. Daher ähneln sich die Abhandlungen nur grob, da es im Ermessen der Autoren liegt, thematische Schwerpunkte zu setzen und inhaltliche Abgrenzungen und Erweiterungen vorzunehmen.
Für das Gebiet des heutigen Mecklenburg- Vorpommerns liegen insgesamt fünf medizinisch-topographische Atlanten vor, von denen drei das Gebiet der Volkszählung 1819 (für Mecklenburg-Schwerin) betreffen:
- Josephi, W.: „Bruchstücke einer physisch-medizinischen Beschreibung von Rostock“, Rostock, 1805.
Josephi gibt auf 48 Seiten einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung Rostocks von Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Einer Beschreibung der geographischen Lage der Stadt folgt die Auflistung der Straßen und der dazugehörigen Häuser der Stadt. Informationen über den Stand der Bevölkerung und demographische Ereignisse (bspw. Geburten und Sterbefälle) finden sich nicht. - Nolde, A. F.: „Medicinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Einwohner“, Erfurt 1807.
Das Werk Noldes ist in zwei Abhandlungen geteilt, von denen jede einen Umfang von 300 Seiten besitzt. Im ersten Teil werden die geographische Lage und die klimatischen Bedingungen beschrieben. Der Darstellung des Aufbaus der Stadt folgt eine Analyse der Wasserversorgung sowie der Wasserqualität. Daran anschließend liefert Nolde im Kapitel der Bevölkerungsstatistik einen Überblick über die Entwicklung der Einwohnerzahlen Rostocks (1792-1803), über die Sterbefälle (nach Geschlecht und Todesursachen) sowie über die Zahl der Geburten und Eheschließungen (alles 1791–1800). Der erste Teil endet nach der Beschreibung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebens- und Genussmitteln sowie Kleidung und der Darstellung des Aufbaus der Verwaltung der Stadt mit einem Überblick über die in Rostock tätigen Handwerker, Künstler und Kaufleuten.
Der zweite Teil beginnt mit einer ausführlichen Darstellung „von der Aufklärung in Rostock, und dem sittlichen Charakter der Einwohner“ (Nolde, 1807, Überschrift Kapitel 5, 2.Abhandlung, S.1). Anschließend folgt eine detaillierte Erörterung der in Rostock auftretenden Krankheiten und schließt mit der Beschreibung der medizinischen Versorgung. - Uffelmann, J.: „Hygienische Topographie der Stadt Rostock“, Werthers Verlag, Rostock, 1889.
Das Werk Uffelmanns stellt eine Aufsatzsammlung dar und gleicht von der inhaltlichen Gestaltung der Arbeit Noldes. In insgesamt 20 Aufsätzen werden Themen wie die klimatischen und geologischen Gegebenheiten, die Wasserversorgung, Badeanstalten und die Abwasserentsorgung geschildert. Es finden sich neben einer ausführlichen Beschreibung des Stadt-Krankenhauses sowie der Frauenklinik eine Abhandlung über die Ernährungssituation, das Sozialwesen und das Schulwesen der Stadt.
Der letzte Aufsatz beschäftigt sich mit der Gesundheitsstatistik und liefert Daten über die Entwicklung der Einwohnerzahl, der Geburten und Sterbefälle in Rostock im Vergleich der Jahre 1787 und 1885 sowie zum Vergleich der Sterblichkeit und des Geburtengeschehen des Jahres 1787 im Vergleich zur gesamten Region Mecklenburg-Schwerins. Verzeichnet sind weiterhin die Eheschließungen und Sterbefälle nach Altersklassen und Todesursachen für Rostock in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts.
Über die Grenzen des damaligen Mecklenburg- Schwerin hinweg sind Werke über die Stadt Greifswald und das Großherzogtum Mecklenburg- Strelitz vorhanden:
- Beumer: „Versuch einer medizinischen Topographie von Greifswald“, Julius Abel Verlag, Greifswald, 1879.
- Zehender, W.: „Bericht über die Erkrankungen, Todesfälle und Geburten, welche im Jahre 1860 im Großherzogthum Mecklenburg- Strelitz zur ärztlichen Kenntnis genommen sind“, Ferdinand Enke Verlag, Erlangen, 1861.